Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG)

Die Immobilien- und Finanzkrise 2008 hat strukturelle Schwachstellen im globalen Derivatehandel in Bezug auf Intransparenz, Gegenparteirisiken und Ansteckungsgefahren offengelegt. Auf dem G20-Gipfel im Jahre 2009 in Pittsburgh haben die Staats- und Regierungschefs daher beschlossen, den ausserbörslichen Derivatehandel (Over-The-Counter, OTC) stärker zu standardisieren und damit transparenter und sicherer zu machen. Seither wurden weltweit Reformen umgesetzt und entsprechende Gesetze erlassen. Siehe dazu nachfolgende Grafik.

FinfraG Weltkarte 

Die Übernahme der international anerkannten Standards, insbesondere aus der EU-Derivatereform "European Market Infrastructure Regulation" (EMIR), erfolgt in der Schweiz mit dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG). Das Gesetz wurde 2015 durch das Parlament verabschiedet und ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Es regelt, nebst dem Handel mit OTC-Derivaten, insbesondere die Organisation und den Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen in ihrer Gesamtheit. Die auf das Börsengesetz, das Bankengesetz und das Nationalbankgesetz verstreuten Bestimmungen sind aufgehoben worden und es wurde eine konsistente, an die veränderten Marktverhältnisse und an internationale Vorgaben angepasste Regulierung in einem einzigen Gesetz geschaffen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Diese FAQs geben Antworten auf häufig gestellte Fragen im Rahmen des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (Stand: Dezember 2016).

Allgemeines

Wer ist von FinfraG betroffen?

Von FinfraG sind sowohl Finanzinstitute betroffen als auch alle Unternehmen, die im Schweizer Handelsregister als Rechtseinheit eingetragen sind. Im Rahmen der Meldepflicht ist die AKB gesetzlich verpflichtet, auch für Privatkunden OTC-Derivatgeschäfte an ein Transaktionsregister zu melden.

Welche Geschäfte fallen unter FinfraG?

Derivate, die ausserbörslich (Over-The-Counter, OTC) gehandelt werden. Für gewöhnlich sind das Devisenforwards, Devisenswaps, Devisen- und Edelmetalloptionen sowie Interest Rate Swaps, Forward Rate Agreements, Caps, Floors, Collars, Cross Currency Swaps und Swaptions.

Welche Pflichten bestehen unter FinfraG im Rahmen des OTC-Derivatehandels?

Die Pflichten unter FinfraG können in vier Themengebiete unterteilt werden:

  1. Abrechnungspflicht
    OTC-Derivategeschäfte, die von der FINMA angezeigt werden, sind über eine zugelassene zentrale Gegenpartei abzurechnen (Central Counterparty, CCP). Von dieser Pflicht sind Devisenforwards und Devisenswaps ausgenommen.
  2. Meldepflicht
    Sämtliche OTC-Derivatgeschäfte sind an ein von der FINMA bewilligtes Transaktionsregister zu melden.
  3. Risikominderungspflichten
    • Rechtzeitige Bestätigung der Geschäfte: Die Vertragsbedingungen müssen spätestens am übernächsten Geschäftstag nach dem Abschluss des OTC-Derivatgeschäfts gegenseitig bestätigt werden.
    • Streitbeilegung: Beide Parteien haben einen Prozess festzulegen, wie sie mit Unstimmigkeiten umgehen.
    • Portfolioabstimmung: Die Parteien haben ihre Portfolios miteinander abzustimmen, sodass beide Parteien dasselbe Verständnis ihrer offenen Transaktionen haben.
    • Portfoliokompression: Portfolios eines Kunden mit mehr als 500 offenen Transaktionen müssen mind. zweimal jährlich analysiert und unter Umständen komprimiert werden.
    • Tägliche Bewertung: Die offenen Transaktionen müssen täglich bewertet werden.
    • Austausch von Sicherheiten: Die Gegenparteien müssen Abläufe festlegen, die den angemessenen und zeitnahen Austausch von Sicherheiten gewährleistet.

    Von den Risikominderungspflichten sind Devisenforwards und Devisenswaps sowie über eine Zentrale Gegenpartei abgerechnete Derivate ausgenommen.
  4. Plattformhandelspflicht
    Die FINMA legt fest, welche OTC-Derivatgeschäfte von den Gegenparteien nur an einem von der FINMA zugelassenen Handelsplatz bzw. über einen von der FINMA bewilligten Betreiber von Handelsplattformen gehandelt werden dürfen.

Welche Kunden sind von welchen Pflichten betroffen?

Inwiefern die Unternehmen von den Pflichten unter FinfraG betroffen sind, hängt von ihrer Einstufung ab. Unter FinfraG haben sich Finanzinstitute und Unternehmen in eine der nachfolgenden Kategorien einzustufen: FG+, FG-, NFG+ und NFG-.

Finanzielle Gegenpartei (FG)

Als Finanzielle Gegenparteien gelten Banken, Effektenhändler, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen als auch Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen sowie Vorsorgeeinrichtungen und Anlagestiftungen.

Innerhalb der Finanziellen Gegenparteien wird ausserdem zwischen grossen (FG+) und kleinen Finanziellen Gegenparteien (FG-) unterschieden. Eine Finanzielle Gegenpartei gilt dann als klein, wenn die gleitende Durchschnittsbruttoposition aller ausstehender OTC-Derivatgeschäfte der gesamten Gruppe über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen CHF 8 Milliarden unterschreitet. Devisenforwards und Devisenswaps werden in diese Berechnung nicht miteinbezogen.

Nichtfinanzielle Gegenpartei (NFG)

Handelt es sich bei der Gegenpartei nicht um eine Finanzielle Gegenpartei, dann gilt sie als Nichtfinanzielle Gegenpartei (bspw. Unternehmen mit eingetragener Rechtseinheit im Schweizer Handelsregister).

Auch bei den NFG wird zwischen grossen (NFG+) und kleinen Nichtfinanziellen Gegenparteien (NFG-) unterschieden. Für die Einstufung sind die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Schwellenwerte massgeblich.

Anlageklassen Schwellenwert (Bruttodurchschnittsposition)
Kreditderivate CHF 1.1 Mrd.
Aktienderivate CHF 1.1 Mrd
Zinsderivate CHF 3.3 Mrd.
Devisenderivate CHF 3.3 Mrd.
Rohwaren - und sonstige Derivate CHF 3.3 Mrd.

Ein Unternehmen gilt als NFG+, wenn die gleitenden Durchschnittsbruttoposition in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen den Schwellenwert von mind. einer Anlageklasse überschreitet. Davon ausgenommen sind Devisenforwards und Devisenswaps sowie Absicherungsgeschäfte. In der Betrachtung sind alle offenen OTC-Derivatgeschäfte zu berücksichtigen und nicht nur diejenigen, welche mit der AKB abgeschlossen wurden.

Pflichten von Finanziellen und Nichtfinanziellen Gegenparteien

Die Pflichten von FG und NFG sind von der Einstufung abhängig:

  FG+ FG- NFG+ NFG-
Abrechnungspflicht    
Meldepflicht        
Risikominderungspflichten        
- Rechtzeitige Bestätigung        
- Streitbeilegung        
- Portfolioabstimmung      
- Portfoliokompression        
- Tägliche Bewertung    
- Austausch von Sicherheiten      
Plattformhandelspflicht    

Wie stuft sich die AKB aktuell ein?

Die AKB ist eine kleine Finanzielle Gegenpartei (FG-). Die gleitende Durchschnittsposition von offenen OTC-Derivatgeschäften der AKB liegt derzeit unter CHF 8.0 Mrd.

Abrechnungspflicht

Welche Gegenparteien sind von der Abrechnungspflicht betroffen?

Die zentrale Abrechnungspflicht besteht für Unternehmen mit der Einstufung FG+ und NFG+ mit Sitz in der Schweiz. Unternehmen mit Sitz im Ausland, die sich in der Schweiz als FG+ oder NFG+ einstufen würden, sind von der Pflicht ebenfalls betroffen. Kleine Unternehmen (NFG-) sind von der Abrechnungspflicht nicht betroffen.

Wie wird die Abrechnungspflicht erfüllt?

Gegenparteien, die von der zentralen Abrechnungspflicht betroffen sind, haben zwei Möglichkeiten, diese zu erfüllen. Sie können selbst Clearing Mitglied eines bewilligten Clearinghaus oder Kunde eines bestehenden Clearing Mitglieds werden.

Derzeit liegt von der FINMA noch keine Bewilligung für ein Clearinghaus vor.

Welche Geschäfte sind von der zentralen Abrechnungspflicht betroffen?

Die FINMA veröffentlicht, welche Geschäfte unter die zentrale Abrechnungspflicht fallen werden. Aktuell hat die FINMA jedoch noch keine Derivate angezeigt, welche abrechnungspflichtig sind.

Für Devisenforwards und Devisenswaps kann keine Abrechnungspflicht auferlegt werden.

Meldepflicht

Haben Kunden, die OTC-Derivatehandel mit der AKB betreiben, die Meldepflicht einzuhalten?

Ja, die Meldepflicht unter FinfraG ist nicht delegierbar. Für die Erstattung der Meldung können jedoch gemäss FinfraG Art. 104 Abs. 5 ausdrücklich Dritte beigezogen werden. Daher wird die Meldung der mit der AKB abgeschlossenen OTC-Derivate für natürliche Personen und nichtfinanzielle Gegenparteien (NFG+, NFG-) sowie kleine finanzielle Gegenparteien (FG-) durch die AKB als kleine Finanzielle Gegenpartei (FG-) erfolgen. Meldepflichtige finanzielle Gegenparteien (FG+ und FG-) benötigen unter FinfraG zwingend einen Legal Entity Identifier (LEI). Für grosse finanzielle Gegenparteien (FG+) wird die AKB als kleine finanzielle Gegenpartei (FG-) keine Meldungen vornehmen.

Was muss an ein Register gemeldet werden?

Alle unter FinfraG relevanten Geschäfte müssen an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Darunter fallen alle OTC-Derivatgeschäfte inkl. Devisenforwards und Devisenswaps. Die zu übermittelnde Meldung enthält Informationen zur Transaktion wie auch Informationen zur Gegenpartei. Unter die Meldepflicht fallen auch alle OTC-Derivategeschäfte mit natürlichen Personen wie auch Gegenparteien aus Drittländern. Die Identifikation der Gegenpartei erfolgt bei juristischen Personen über den "LEI", sofern ein solcher vorhanden ist.

Wann beginnt die Meldepflicht?

Am 3. April 2017 hat die FINMA der SIX Trade Repository AG, Zürich die rechtskräftige Bewilligung zum Betrieb eines schweizerischen Transaktionsregisters gemäss Art. 74 FinfraG erteilt. Die Meldepflicht für die AKB gilt somit ab 1. Januar 2018.

Was ist der "LEI"?

Der "LEI" (Legal Entity Identifier) ist eine global eindeutige Kennung für Unternehmen im Finanzmarkt. Für die Erfüllung der Pflichten unter FinfraG ist dieser jedoch nur für Rapportierungspflichtige Gegenparteien zwingend notwendig. Ein "LEI" kann u.a. beim Bundesamt für Statistik (https://www.lei.admin.ch/#/register) vorregistriert und spätestens ab Dezember 2017 beantragt werden.

Wie lautet der "LEI" der AKB?

"LEI" der AKB: HTQNUFL6OI5TZ7V7SI73.

Risikominderungspflichten

Welche Gegenparteien sind von den Risikominderungspflichten betroffen?

Grundsätzlich sind sowohl Finanzielle Gegenparteien (FG+ und FG-) als auch Nichtfinanzielle Gegenparteien (NFG+ und NFG-) von den Risikominderungspflichten betroffen. Kleine Finanzielle Gegenparteien (FG-) und kleine Nichtfinanzielle Gegenparteien (NFG-) müssen jedoch die Risikominderungspflichten nicht vollständig umsetzen.

Wie komme ich als Unternehmer (NFG) den Risikominderungspflichten nach?

Für gewöhnlich sind die Details zu den Risikominderungspflichten in FinfraG-Standardverträgen geregelt (bspw. "Schweizer FinfraG Vereinbarung" der Schweizerischen Bankiervereinigung).

Was umfasst die Pflicht "Rechtzeitige Bestätigung"?

Ab dem 1. Januar 2017 haben die Gegenparteien sicherzustellen, dass die Transaktionen zeitnah bestätigt werden. Dabei kommen nachfolgende Fristen zur Anwendung:

  • OTC-Derivatgeschäfte sind innerhalb von zwei Geschäftstagen nach Abschluss zu bestätigen.
  • OTC-Derivatgeschäfte, die nach 16:00 Uhr abgeschlossen wurden, sind innerhalb von drei Tagen nach Abschluss zu bestätigen.
  • Bei OTC-Derivatgeschäfte, die gegengezeichnet werden müssen, verlängert sich die Frist um einen Geschäftstag.

Wie kann die Pflicht "Streitbeilegung" erfüllt werden?

Die Parteien sind unter FinfraG verpflichtet, Prozesse zu definieren, wie bei allfälligen Differenzen (bspw. im Zusammenhang mit der Anerkennung oder Bewertung eines Geschäfts) vorzugehen ist.

Was umfasst die Pflicht "Portfolioabstimmung"?

Gegenparteien, die sich als FG+, FG- oder NFG+ einstufen, sind verpflichtet, ihre Portfolios über ausstehende OTC-Derivatgeschäfte abzugleichen und abzustimmen. Davon ausgenommen sind Devisenforwards und Devisenswaps. Die Häufigkeit dieser Abstimmung hängt von der Anzahl offener Geschäfte mit der jeweiligen Gegenpartei ab.

  • >= 500 offene Positionen: Tägliche Abstimmung
  • 51 - 499 offene Positionen: Wöchentliche Abstimmung
  • <= 50 offene Positionen: Quartalsweise Abstimmung

Wann muss ich der Pflicht zur "Portfoliokompression" nicht nachkommen?

Keine Pflicht zur Portfoliokompression besteht dann, wenn keine bedeutende Reduktion von Gegenparteirisiken generiert werden können oder bei unverhältnismässigem Kostenaufwand (Überprüfung alle sechs Monate).

Wie sind die offenen Positionen zu bewerten?

FG+ und NFG+ sind verpflichtet, alle offenen Positionen täglich zu bewerten. Die Bewertung erfolgt zu Marktpreisen oder mit Hilfe von Bewertungsmodellen.

Was ist gemeint mit dem Austausch von Sicherheiten?

Gegenparteien, die sich als FG+, FG- oder NFG+ einstufen, sind verpflichtet, für nicht über eine zentrale Gegenpartei (CCP) abgerechnete OTC-Derivatgeschäfte (exklusive Devisenforwards und Devisenswaps), Sicherheiten einzufordern bzw. zu hinterlegen. Dabei sind Einschusszahlungen (Initial Margin) wie auch Nachschusszahlungen (Variation Margin) zu leisten.

Plattformhandelspflicht

Welche Gegenparteien sind von der Plattformhandelspflicht betroffen?

Die Plattformhandelspflicht für ausgewählte OTC-Derivatgeschäfte gilt nur zwischen grossen Gegenparteien (FG+ und NFG+). Kleine Unternehmen (NFG-) sind von der Plattformhandelspflicht nicht betroffen.

Welche Derivate unterliegen der Plattformhandelspflicht?

Aktuell hat die FINMA noch keine Derivate angezeigt, für die es die Plattformhandelspflicht einzuhalten gilt.